Unbenannt

Geschichten aus dem Orden

In unregelmäßigen Abständen möchte ich Ihnen, liebe Leser, den ein oder anderen der Herz-Jesu-Missionare unserer Provinz vorstellen. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn die meisten sind sehr zurückhaltend und wollen am wenigsten darüber sprechen, was sie in ihrem Leben alles so an Gutem in die Welt gebracht haben. Das kann in mehr als 50 Jahren Ordensleben eine ganze Menge sein.

Heute: P. Konrad Huber MSC, 77, Birkeneck

P. Konrad´s Vita liest sich auf den ersten Blick ganz simpel: In einer Ordensgemeinschaft, die sich über Jahrzehnte mit schwierigen Jugendlichen befasst hat, sind über vierzig Jahre als Heimerzieher und in der Heimleitung eher das Übliche. Auch da gibt es viel zu erzählen, das ist harte Arbeit. Das Missionarische ist aber meist sehr auf den jeweiligen Ort beschränkt, bei P. Konrad drei Jahre in Österreich, die restlichen 38 Jahre bis zur Berentung 2012 im Jugendwerk Birkeneck. Das wär ́s gewesen, wenn da nicht….. aus etwas Furchtbarem etwas ganz Großes entstanden wäre:

Das Furchtbare: der Balkankrieg 1992 – 1995, Schwerpunkt Bosnien

Das Große: die Bosnienhilfe von P. Huber

Der Beginn

1995 kamen acht verwundete, bosnische Soldaten (Muslime) nach Birkeneck, zur medizinischen Versorgung, aber einfach auch, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Der Orden übernahm die gesetzliche Fürsorgepflicht, aber wer sollte sich um sie kümmern? V.a. als sich der an sich kurz geplante Aufenthalt wegen des Kriegs länger hinzog als gedacht. P. Konrad sprang ein – und blieb da hängen. Bis heute! Da die Bosnischen Soldaten keinen Kontakt mit ihren Familien aufnehmen konnten, fuhr P. Konrad nach Ende des Kriegs nach Tuzla, um wenigstens die Familie eines der Bosnier zu unterstützen. Einfach nur mit Lebensmitteln. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Aus der Erschütterung über das, was er sah, wurde ein großer Fluss, der bis heute weiter fließt und einiges wieder zum Leben gebracht hat, wo alles tot war. Alles zerstört, kaum ein Stein auf dem anderen. Nur wenige Menschen, die zurückgeblieben waren, wie in Ricice, das dreimal von den verschiedenen Armeen überrannt worden war.

Hier lebten von 90 Familien nur noch 4 Personen: einer in einer Garage, einer in einem Hühnerstall und zwei Schwestern im Aufsatz eines alten Kühlwagens, der sich wohl mal dahin verirrt hatte und auch dem Krieg zum Opfer gefallen war. Kaum Nahrung, immerhin ein Dach über dem Kopf. Aber den Winter vor der Tür.

Das war der Anstoß. Das Geld, das ihm zu seinem 25.Priesterjubiläum geschenkt worden war, war die erste Hilfe, um beginnen zu können. Diese Hilfe hat Spuren hinterlassen, kilometerlange; über 500 000 km, die die LKWs seither zurückgelegt haben. Vor Weihnachten soll der 244.ste starten, wie immer ganz gezielt nur mit den Dingen, die die Menschen wirklich dringend brauchen und immer nur dorthin, wo die zuverlässige Verteilung gewährleistet ist. Das kontrolliert er selbst bei seinen Besuchen 2x/Jahr in Bosnien, hat aber mittlerweile auch ein Netz von zuverlässigen Helfern dort, die dafür sorgen: Die Dienerinnen vom Kinde Jesu (eine Schwesterngemeinschaft), Udruga Josip(eine NGO), einige Priester ….

Da gibt es die sogenannten Familienpakete (Bananenkartons, gefüllt mit ca. 30 kg Grundnahrungsmittel), ferner werden Schulmöbel geliefert, Pflegebetten, Rollstühle, Fahrräder, Krücken, Möbel aller Art, Fenster, Türen ……. . Kürzer wäre die Frage beantwortet, wenn er benennen müsste, was er noch nicht nach Bosnien brachte. Da ist alles generalstabsmäßig und vernünftig geplant, alles hat seine Ordnung, so ist er einfach. Und das ist sicher das eine Bein, auf dem die Bosnienhilfe steht. Das andere ist seine Zähigkeit, mit der der nun 77-jährige noch immer die schweren Kisten selbst schleppt. Gott sei Dank findet er immer wieder neue Helfer und Quellen, die ihn unterstützen.

Das dritte Standbein (nein, der Vergleich hinkt nicht) ist das, was das Projekt im innersten trägt: ein offenes Herz für die Not der Menschen und eine große Liebe zu ihnen. Das trägt er nicht vor sich her, aber es wird sichtbar, wenn er erzählt, z.B. von dem kleinen bosnischen Jungen mit der Multiplen Sklerose:

Diagnose mit 2 Jahren, Lebenserwartung (Ärzte): bis maximal 12/13. Er ist nun acht und die Eltern bitten um einen Rollstuhl, weil ihn der Vater schon zwei Jahre zur Schule trägt und von dort wieder holt, weil der Junge ohne Rollstuhl völlig ans Haus gefesselt ist, selbst nicht gehen kann. Die sog. Vernunft wird fragen, rentiert sich das. P. Konrad dagegen kauft einen elektrischen Rollstuhl und darf bei seinem nächsten Besuch erleben, wie der kleine Junge mit den anderen Kindern draußen herumkurvt, wie er integriert ist und welche Freude er hat – trotz seiner Krankheit. Und er bekommt noch eine Sondervorstellung, in der ihm der Junge zeigt, was er nun alles mit dem Rollstuhl kann. Inclusive in die Schule fahren. Immerhin bis er 18 wurde und starb, 10 Jahre Freude. Das Herz denkt eben weiter als der Verstand.

Für all das, was er tat, wurde er nun von Kardinal Bulić in Sarajewo im Rahmen eines Gottesdienstes geehrt, das Herz beschenkt hat der kleine Junge und so viele andere, denen er aus dem Schlimmsten geholfen hat. Und noch immer hilft. Bei einer Arbeitslosigkeit von 45%, einem Durchschnittslohn von 300-400 € und einer Sozialhilfe um die 120 € …. da braucht man keine Begründung der Hilfe mehr. Vielleicht möchten Sie ja auch gerne helfen, zu einem Familienpaket beisteuern oder …..:

 

Konrad Huber MSC
phuber@birkeneck.de

+49 (0)176 24440543

 

Die Hl Magdalena wird es ihnen danken. Dazu noch eine Geschichte:

1997, in Ricice – Nähe Grazac – steht noch die Ruine der Kirche der Heiligen Magdalena, die im Krieg schwer getroffen worden und ausgebrannt war. Immerhin stehen die Mauern noch. Die Frauen zerhacken das eingefallene Blechdach, räumen Schutt und Asche raus, P. Konrad besorgt den Tisch für den Altar und die Kirchenbänke und funktioniert zwei Panzergranaten um zu Stelen für die Altarblumen (Schwerter zu Pflugscharen). Am Patrozinium erklingen zum ersten Mal nach dem Krieg wieder die Glocken über dem Dorf, genauer eine. Die hatte eine Gönnerin aus der Nähe von Hallbergmoos gestiftet. Sie hing oben am Turm in einem Provisorium und wurde von P. Konrad und dem Ortspfarrer hin und her bewegt. Per Hand. So macht man Menschen glücklich und bringt sie zum Tanzen – zwei Jahre nach einem verheerenden Krieg.

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