Geschichte des Anfangs der Herz-Jesu-Missionare
Großes beginnt im Kleinen! Auch eine weltweite Missionsgemeinschaft.
Wir schreiben das Jahr 1848. Es sind Schriften der Propaganda fidei, die schon im Seminar in Bourges das Interesse Jules Chevaliers für die „Heidenmission“ wecken. Der Seminarrektor, dessen Auftrag es ist, Diözesanpriester heranzubilden, schlägt ihm vor, doch zuerst einmal mit der Bekehrung einer Stadt wie Issoudun zu beginnen. Sie ist der Horror aller Neupriester und gilt mit ihren 15 000 Einwohnern als die am meisten antiklerikale und der Religion entfremdete Stadt der Region. Die Idee setzt sich fest: „zuerst Issoudun und dann….“.
In der Erfahrung des Herzens Jesu als Heilmittel gegen alle Gleichgültigkeit, v.a. die gegenüber Gott, erkennt er das Mittel, seinen Auftrag zu erfüllen. Und was geschieht: Nach drei Kaplansjahren in drei anderen Orten der Diözese wird er im Oktober 1854 zum Kaplan in Issoudun ernannt – und trifft dort auf Sébastien-Émile Maugenest, der bereits im Seminar Teil einer von Jules gegründeten Gruppe eifriger Seminaristen war, die sich „Chevaliers du Sacré-Coeur“ nannte.
Die beiden fackeln nicht lange. Zu zweit machen sie sich sofort daran, eine Missionsgemeinschaft im Namen des Herzens Jesu zu gründen. Der Bischof stimmt zu – aber nur unter der Voraussetzung, dass sie 20 000 Francs vorweisen können zur Sicherung ihres Unterhalts. Woher nehmen und nicht stehlen? Wie noch sehr oft in solchen Situationen in der Zukunft schlägt P. Chevalier eine Novene zur Gottesmutter vor, die am 8.12.1854 enden soll – am Tag der Verkündigung des Dogmas der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Das Wunder geschieht, ein Bote erscheint und händigt ihnen die Spende eines anonymen Gebers aus: 20 000 Francs. Heute wissen wir, dass das Geld nicht vom Himmel fiel. Da kannte mal wieder jemand jemand, der wieder jemand kannte und … Nur hilft das nicht viel, wenn der, der jemand kennt, sich nicht aufmacht oder niemand kennt, der das nötige Geld übrig hat und noch dazu spenden will. Aber so wirkt Gott: Wenn er ein Werk will … Sie kennen mittlerweile den Lieblingssatz unseres Gründers schon.
Obwohl letztlich erst 1855 bischöflich anerkannt, gilt der 8.12.1854 bis heute als Gründungstag unserer Gemeinschaft – und Maria als ihre Gründerin.
Jules Chevalier wäre lieber das Risiko eingegangen, betrogen
zu werden,
als einmal einem Notleidenden seine Hilfe zu verweigern.
P. Hériault MSC
Mit den 20 000 Francs erwerben Jules und Sébastien ein baufälliges Haus mit einer noch baufälligeren Scheune, in der sie die Kapelle einrichten. Aber sie müssen ja auch von etwas leben. Im Anschluss an eine weitere Novene im Februar 1855 findet sich ein Spender, der ihnen 1000 Francs pro Jahr für ihren Unterhalt zusichert. Wenn man auf die Vorsehung baut …
Die Leidenschaft von P. Chevalier und das Predigttalent von P. Maugenest zogen viele Menschen an, das Werk wuchs, die Kirche war voll. Und es kamen zunehmend auch die Männer. Aus einem einzigen männlichen Kirchenbesucher in Issoudun, der anfangs noch dazu in eine andere Kirche ging, waren es nach einem Jahr 300 geworden, die als Mitglieder in eine Bruderschaft (Liga des Heiligsten Herzens Jesu) eintraten. Auch da zeigte sich die Vorsehung als sehr vorausschauend. Denn bei der Instandsetzung der Scheune hatte man tragende Mauern entfernt (ein Herz-Jesu-Missionar kann alles ), um mehr Raum zu schaffen und nun drohte die Kapelle wegen Baufälligkeit geschlossen zu werden. Durch die Hilfe aller konnte dies verhindert werden.
Auch die Gemeinschaft bekam Zuwachs durch Charles Piperon, den beide aus der gemeinsamen Zeit im Seminar kannten und schätzten. Gute Zeichen! Bis der Bischof von Bourges P. Maugenest gegen allen Widerstand abzog und ihn zum Domprediger ernannte. Da waren es nur noch zwei!
Den Bau einer richtigen Kirche vor Augen – die Kapelle würde nicht mehr lange nutzbar sein -, entmutigt durch den Abzug ihres „besten Mannes“, erschöpft durch die viele Arbeit und den häufigen Verdruss mit dem Bischof, rutschte P. Chevalier Anfang 1859 in eine schwere Krise: Wie damals im kleinen Seminar fühlte er sich alleine und verlassen gegenüber einer großen Übermacht. Doch wo die Not am größten, ist die Hilfe am Nächsten:
Ein Besuch beim Pfarrer von Ars, Jean-Marie Vianney, der ihm Mut machte und eine große Zukunft für das noch kleine Werk vorhersah; der Segen von Papst Pius IX., den er durch einen Freund vermittelt persönlich treffen konnte; eine Reise nach Paray-le-Monial, von der er ganz verändert zurückkam und die Ernennung eines neuen Erzbischofs in Bourges, der ein großer Unterstützer der MSC war. V.a. aber die treue, unermüdliche und humorvolle Unterstützung durch P. Piperon, der Gemeinschaft als das verstand, was es sein sollte: Hilfe und Dienst am Nächsten.
Bei P. Chevalier stellte sich der alte Schwung wieder ein, ebenso seine Ausdauer, seine kämpferische Seite und die frühere Zuversicht. 1864, im Jahr der feierlichen Weihe der Herz-Jesu-Basilika in Issoudun, hatte die Gemeinschaft nach 10 Jahren Bestehen zwar nur fünf Mitglieder, dafür zog die im gleichen Jahr gegründete Erzbruderschaft Unserer Lieben Frau bereits im ersten halben Jahr 2000 Mitglieder an und wuchs alleine in Frankreich rasant auf 18 Millionen (1872, ganz Europa: 30 Millionen). So wurden die Laien – wie von P. Chevalier angedacht – zu den zentralen Verkündern des Herzens Jesu und Unserer Lieben Frau vom Heiligsten Herzen Jesu.
Die Gemeinschaft selbst wuchs eher langsam weiter (1867 elf Mitglieder), aber doch so, dass man im Jahr 1876 die ersten Missionare nach Watertown in den USA schicken konnte – v.a. für die Seelsorge mit den katholischen Franko-Kanadiern in der Stadt. Bei einer Anfrage des Papstes 1879, die Mission für Neuseeland zu übernehmen, wurde P. Chevalier noch von den Mitbrüdern überstimmt. Sie lehnten ab, da ihnen ihrer Meinung nach sowohl Finanzen als auch Manpower dafür fehlten, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt immerhin schon 63 MSC (29 Priester, 29 Scholastiker = Priesterstudenten und 5 Brüder) gab.
Im gleichen Jahr kam es in Frankreich zur Machtübernahme durch die Republikaner, die zur Folge hatte, dass alle Ordensgemeinschaften aus dem Land vertrieben wurden. Was zunächst aussah, wie das Todesurteil für die kleine Gemeinschaft, entwickelte sich aus kleinen Anfängen – wieder begann man in Tilburg/Niederlande in einfachen Räumen, einer Fabrikhalle – zu einem MSC reloaded. Eine bunte Mischung aus Novizen, MSC-Studenten und Schülern der apostolischen Schule, die man auch nach Holland verlegen musste, füllten die Halle. V.a. als im März 1881 aus Rom die Bitte kam, die Mission in Melanesien und Mikronesien zu übernehmen, kam es zu einem richtigen Boom. Viele traten ein, weil sie nach Papua wollten, denn es galt als das Ende der Welt. Ametur ubique…. Bis an die Grenzen!
1881 erfolgte die erste Ausreise nach Papua-Neuguinea. Die Mission dort forderte viele Opfer, wegen des Klimas, der unbekannten Krankheiten und wegen gewaltsamer Übergriffe der indigenen Bevölkerung. Das durchschnittliche Sterbealter der Missionare lag bei 28 Jahren. Doch je mehr dort, „am Ende der Welt“ starben, umso mehr traten in Holland ein.
Dies ermöglichte auch weitere Gründungen in Europa: 1882 in England, in Belgien 1886, 1888 Salzburg-Liefering, 1898 Hiltrup bei Münster/ Westfalen. Parallel breitete sich die Mission in Ozeanien immer weiter aus: Fiji, Indonesien, Kiribati (die früheren Gilbert-Inseln), Wallis und Futuna, Nauru und noch einige, deren Namen nur Insidern ein Begriff ist. O.k., Australien kennt man 😎 , auch heute noch eine der größeren Provinzen.
Parallel entstanden die beiden weiblichen Zweige (Die Töchter Unserer Lieben Frau vom Heiligsten Herzen Jesu, FDNSC (heute in der engl. Abkürzung OLSH) in Issoudun und die Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu von Hiltrup, MSC in Münster/Westfalen) und ein 3. (Laien-) Orden, der 1904 schon ca. 2000 Mitglieder hatte und in fast allen kath. Ländern Europas vertreten war.
Als Herz-Jesu-Missionar sollten wir in aller Einfachheit die Dinge benennen, wie sie sind, und wissen, wann zu reden und wann zu schweigen ist.
Règles Communes
Ein leichtes Leben war P. Chevalier wirklich nicht beschieden. Als die Missionen blühten, kam es 1889 zu einer Palastrevolution innerhalb der Gemeinschaft. Äußere Auslöser waren die politischen Verhältnisse, die die MSC weit in der Welt verstreut hatten und regelmäßige Versammlungen (Kapitel) unmöglich machten. Dies führte zu „einsamen“ Entscheidungen der Leitung, die auch objektiv diskussionswürdig waren und zu einer Entfremdung zwischen Leitung und „Volk“. Im Wesentlichen protestierte die zweite Generation der Mitbrüder, die die Gründungsphase nicht erlebt und so auch nicht die enge Bindung der älteren Mitbrüder an den Gründer hatte. Sie bestanden auf demokratischeren Entscheidungsstrukturen, wobei sich das Ganze, wie nicht selten, an kirchenrechtlichen Fragen entzündete.
Die Generationskämpfe Vater-Sohn gibt es – wie man sieht – auch in Ordensgemeinschaften. Diese Krise scheint jedenfalls ein Prototyp dafür gewesen zu sein. Trotz durchaus heftiger Auseinandersetzungen und Fehlern von beiden Seiten kam es zu keinen starken Verwerfungen in der Gemeinschaft, weder zu einer großen Zahl an Austritten, noch zu einer schwindenden Zahl von Eintritten. Aber es dauerte. Erst 1906 konnte P. Chevalier an den Hl. Vater schreiben: „Nach und nach ist Ruhe eingekehrt, die Geister wurden wieder friedlich, und die Herzen eint ein Band, das nicht mehr zu zerreißen ist.“
Da muss man eben durch, aber dann ist es auch gut. Glücklich der Ort, wo das auch möglich ist.