Reminiszenz Maria Kirchental (Teil 1)

„Pinzgauer Dom“ – Maria Kirchental

Maria Kirchental in den Loferer Steinbergen ist ein ganz besonderer Ort. Da wird kaum jemand widersprechen, der einmal den Weg in das Hochtal über St. Martin bei Lofer auf sich genommen hat. Man kann auch hochfahren, aber das ist eindeutig die schlechtere Variante, sich Kirchental zu nähern. Seit 1689 Rudbert Schmuck, ein Bauer aus St. Martin, das spätgotische Gnadenbild der Mutter Gottes mit dem Stieglitz aus St. Martin in das Hochtal brachte, ziehen Jahr für Jahr viele Menschen hierher.
Die einen, weil die Kirche einfach eine Sehenswürdigkeit ist, die anderen, weil es ein wunderschöner Platz zum Verweilen ist, ganz viele aber auch, um hier zu beten und zu bitten. Um die 1200 bestens restaurierte Votivtafeln zeugen von vielen Gebetserhörungen, die schon früh einsetzten und zum Bau der heutigen barocken Kirche zwischen 1694 und 1701 führten.

 

Das Gnadenbild

Der für die Planung verantwortliche Baumeister Fischer von Erlach sei dafür kein einziges Mal in Kirchental gewesen (so die Überlieferung). Dafür steht sie ziemlich stabil seit mehr als 300 Jahren im rauen Klima des Talkessels, in den im Winter genau 100 Tage lang kein Sonnenstrahl fällt. Das muss man aushalten können, ohne in die Winterdepression zu fallen.
Seit 1939 taten das zum einen die Herz-Jesu-Missionare in der Wallfahrtsseel-sorge (ca. 40 000 Wallfahrer/Jahr!), zum anderen seit 1982 im angeschlossenen Besinnungshaus die Missionarinnen Christi (MC) und garantierten, dass Kirchental das blieb, was es immer war: ein geistlicher und heilsamer Ort. Immer noch mit einem Schmuck (jetzt Klaus, vorher Franz, davor dessen Vater), der als Mann für alle Fälle über das Erbe seines Urahns wacht. Das nennt man Tradition!

Der von den Herz-Jesu-Missionaren geprägte Teil dieser Tradition von 1939-2024 machte letztlich Kirchental zu dem, was es heute ist: eine der größten Wallfahrten in Österreich, gut erreichbar und gut erschlossen mit großen Möglichkeiten der Nutzung.

 

Klaus und Franz Schmuck

Spannenderweise begann diese Tradition gar nicht in Kirchental – sondern in Birkeneck (D – Hallbergmoos). Das dort von den Herz-Jesu-Missionaren betriebene Erziehungsheim für schwierige Jugendliche war den Nazis ein Dorn im Auge. Die Gestapo hatte von den Jugendlichen dort Aussagen erpresst und bereits einen Pater und einen Bruder mitgenommen und inhaftiert. Provinzial P. Dr. Franz Wimmer MSC drohte nun der Gestapo, ihr illegales Handeln in Österreich und der Schweiz zu veröffentlichen, wenn sie Birkeneck nicht in Ruhe ließen. Auch sonst nutzte er jede Gelegenheit, Position gegen die Nazis zu beziehen, was ihn zunehmend in Gefahr brachte.
Deswegen bat ihn der damalige Erzbischof von Salzburg, Andreas Rohracher, zu seinem eigenen Schutz dringend nach Maria Kirchental zu gehen, wo er sich gut verstecken könne. P. Wimmer widersetzte sich zunächst dem Erzbischof, bis dieser ihn mit der Bemerkung, dass „Dachau sehr nahe sei“, überzeugen konnte. Das war eine eindeutige win-win-Situation: P. Wimmer war erst einmal außer Lebensgefahr und die Erzdiözese bekam einen überaus fähigen Mann für die Wallfahrt in Maria Kirchental, die brach lag und deren Gasthaus in den Jahren zuvor einen üblen Ruf genoss. Nichts für fromme Pilger jedenfalls. Da gab es einiges aufzuräumen und neu zu gestalten, spirituell und ganz praktisch.

P. Wimmer und seine guten Geister

Unterstützt wurde P. Wimmer zunächst von Br. Ebner MSC, zwei MSC-Schwestern aus Hiltrup und seiner Nichte Kathi, die für Küche und Haushalt zuständig war und lange Jahre der gute Geist im Haus.
Natürlich firmierte P. Wimmer dort nach dem Wallfahrtsverbot der Nazis (1939) offiziell nicht als Priester, sondern als „Gutsverwalter“, einer Aufgabe, der er neben dem pastoralen Dienst eine Menge Zeit opferte. Die Selbstversorgung musste ja gesichert werden und seine Energie brauchte Raum.
Leider war das Hochtal nur wenig erschlossen. Der einzige Weg hoch war ein steiler Feldweg, auf dem alles hoch- und runtertransportiert werden musste. P. Wimmer stieß mit seiner Idee, eine Straße hinaufzubauen, bei den Einwohnern von St. Martin, dem Ort zu dem Kirchental rechtlich gehörte, auf wenig Gegenliebe. Erst die „Drohung“, dann eben die Straße von Lofer aus zu bauen, stimmte sie am Ende um (Bau zwischen 1946 und 1950, später Verbreiterung, Asphaltierung und Freigabe für den öffentlichen Verkehr 1981) und ermöglichte eine bessere Versorgung.

 

Kirchental im Winter

Auch eine Wasserversorgung gab es nicht. Die Sommer waren trocken, die Winter frostig. Deshalb bauten Br. Ebner, von Beruf Schreiner, und Vikar P. Dr. Franz Würfel, der nicht nur philosophisch, sondern auch handwerklich begabt war, ein System aus selbst gehobelten Holzrinnen. Dafür schlugen sie Baumstämme aus dem 48 Hektar großen Schutzwald, um Wasser von zwei Sammeltrögen unterhalb des Lärchhörndls zum Regenshaus zu leiten. Erst später, unter der Ägide von P. Bernsteiner als Regens, konnte ein Pachtvertrag mit dem Bundesforstministerium geschlossen werden, das die Fassung der Floderbachquelle und den Bau eines Reservoirs ermöglichte, in das das Wasser der Quelle hochgepumpt werden konnte und von dort aus Kirchental mit fließendem Wasser versorgte. Br. Ebner, ein heiligmäßiger Mann, hatte das vor seinem Tod versprochen: Wenn er im Himmel ist, wird er Gott direkt um Wasser für Kirchental bitten. Er hat offenbar Wort gehalten und ist auf offene Ohren gestoßen.
P. Wimmer blieb nach dem Krieg in Kirchental, nun ganz offiziell als „P. Regens“, der auch in der „Regentie“ wohnte, dem Priesterhaus, das 1693 noch vor dem neuen Kirchenbau bezogen werden konnte. Neben der Wallfahrt diente die Regentie später u.a. auch als „Korrekturanstalt für missratene Priester“, bei denen es in der Regel um eine Alkoholproblematik ging. Dieser Versuch scheiterte bald und nicht unerwarteterweise am Vorhandensein des Gasthauses in Kirchental.
Fortsetzung folgt

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