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Neues aus Brasilien

von Sr. Petra Pfaller MC

Sr. Petra Pfaller ist Missionarin Christi und hat sich seit vielen Jahren in Brasilien der Gefängnisseelsorge verschrieben. In den letzten Jahren war sie die Verantwortliche für die Frauengefängnisseelsorge im ganzen Land. Hier berichtet sie von ihrer Arbeit:

In diesen vier Jahren standen eine Menge Reisen und Fortbildungskurse auf dem Programm, ich war viel unterwegs, in ganz Brasilien. Es war zwar anstrengend aber doch auch sehr, sehr interessant in diesem unvorstellbar großen Land, in dem jedes Bundesland seine eigene Kultur hat. Bei meinen Reisen habe ich natürlich viele Gefängnisseelsorger*innen kennengelernt. Vor allem einfache, tiefgläubige Frauen sind es, die sich einmal in der Woche auf den Weg machen, um die Menschen hinter Gitter zu besuchen.

Das Recht auf Religionsausübung im Gefängnis ist im Grundgesetz Brasiliens verankert. Leider wird dieses Recht in den letzten Jahren stetig eingeschränkt. Es gibt immer mehr Schwierigkeiten, besonders für die katholischen Vertreter*innen, überhaupt ins Gefängnis reinzukommen und direkten Kontakt mit den Gefangenen zu haben. Andere Glaubensvertreter haben ebenfalls Schwierigkeiten, aber wesentlich weniger als wir. Dies ist im Wesentlichen auf unsere unterschiedliche Arbeitsweise zurückzuführen. Neben der religiös-pastoralen Betreuung ist uns als zweites Feld die Bewahrung der Menschenwürde ein wichtiges Anliegen. Aufgrund ihres Einsatzes gegen die vielen Menschrechtsverletzungen sind unsere Seelsorger*innen oft Anfeindungen ausgesetzt, besonders von Seiten der Vollzugsbeamten. Diese erschweren den Kontakt zu den Häftlingen oder verbieten ihn ganz mittels vorgeschobenen „Sicherheitsgründen“.

Gerade wurde der neue Präsident in Brasilien eingeführt. Wir sind gespannt, oder besser angespannt was die Zukunft bringt …. . Seine Reden und Programmvorschläge sind nicht gerade ermutigend. Er will das Waffenbesitzgesetz lockern und die Gefängnisse noch mehr füllen, um damit die immer noch mehr um sich greifende Gewalt in Brasilien zu bekämpfen. Aber Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen führt nur zu noch größerer Gewalt.

In meiner Arbeit mit den Frauen in den letzten vier Jahren habe dabei viel Neues dazugelernt. V.a. die Masseninhaftierung der Frauen hat stark zugenommen. Der Grund ist vor allem der wachsende Drogenhandel, bei dem die Frauen zwar nur eine untergeordnete Rolle spielen, aber am schnellsten erwischt werden können. Sie sind die sogenannten „Mulas“ (Maulesel), sie transportieren kleine Mengen Drogen per Bus, Auto oder Flugzeug von einer Stadt in die andere und bekommen dafür etwas Geld. Meistens sind es junge, alleinstehende Mütter, die so versuchen, zu ein bisschen Geld zu kommen, um ihre Kinder und ihre Stammfamilie zu ernähren.

Es gibt zwar spezielle Gesetze für diese Mütter und für schwangere Frauen, die auf deren besondere Situation Rücksicht nehmen, aber leider richten sich die Richter nicht danach. Sie sind meist sehr hart in ihrem Urteil und verurteilen die Frauen nicht zum rechtlich eigentlich vorgesehenen Hausarrest mit Fußfessel, sondern bestrafen sie mit Gefängnis, als wären sie die gefährlichsten Drogenbosse höchstpersönlich. Wenn man sich vorstellt, dass sie in diesen Gefängnissen mit ihren Babys in schmutzigen, stinkenden und total überfüllten Zellen monatelang eingesperrt sind, noch dazu mit Ungeziefer, das die Menschen nachts anfällt (von Floh bis Ratte) ….. weitere Details erspare ich Euch lieber. Das ist keine Übertreibung, genau so ist die Situation.

Wir haben in den letzten Jahren viele solcher Verhältnisse angeprangert, statistische Untersuchungen veröffentlicht mit vielen Fotos und Filmmaterial, wir haben Interviews und Artikel zu diesem Thema geschrieben – alles ohne Erfolg.  Der Hass und der Wunsch nach Vergeltung sind einfach grösser – und es sind ja auch „nur“ Frauen und „Banditen“. Der neue Präsident Bolsonaro hat schon angedroht das er noch härter durchgreifen will. Es wird wieder die treffen, die es immer schon getroffen hat, die Minderheiten, die eigentlich die Mehrheit sind: die Armen, die Schwarzen, die Indigenes (die Eingeborenen), die Jugendlichen.  Es ist ein komplexes gesellschaftliches Thema ohne realistische Hoffnung auf zeitnahe Veränderung.

Seit 1. Dezember habe ich nun ein neues Amt: Ich wurde zur Vorsitzenden der gesamten katholischen Gefängnisseelsorge in Brasilien gewählt. Es war weder für mich noch für meine Mitschwestern einfach, mich als Kandidatin aufstellen zu lassen, so Vieles gäbe es auch auf anderen Gebieten zu tun. Und es war in einem doch sehr priesterlich hierarchisch geprägten Umfeld auch nicht einfach, als Frau und Ordensschwester gewählt zu werden.

Jetzt habe ich 4 Jahre Zeit, um noch einmal neu die Menschen im Gefängnis ins Zentrum unserer Sendung zu stellen, die eigentliche religiöse Betreuung zu fördern und Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. Meine Arbeitsgruppe ist groß und steht hinter mir, es wird schon werden, schließlich bin ich eine Missionarin Christi – im Zentrum stehen Jesus Christus und die Menschen in diesen Höllen Brasiliens. Ich bitte dafür um Euer Gebet. Und wenn Ihr könnt und wollt auch gerne um materielle Unterstützung. Ohne Spenden von außen wäre unsere Arbeit nicht machbar. Vergelt´s Gott dafür.

Soweit für heute mit diesem herzlichen Gruß
Sr. Petra Pfaller MC

 

P.s.: Ein paar Fakten über die Gefängnisseelsorge in Brasilien.

Die Gefängnisseelsorge (Pastoral Carcerária – PCR) ist eine Organisation der brasilianischen Bischofskonferenz. Sie ist auf verschiedenen Ebenen organisiert: international, national, Bundesland, Diözese, sowie in lokalen Gruppen, wo eben Haftanstalten vorhanden sind. Fast in allen Diözesen gibt es eine organisierte PCR. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle “Gefängnisseelsorger*innen” unbezahlte Laienmitglieder verschiedener Pfarreien. Eine Studie vor einigen Jahren ergab etwa 6.000 Mitglieder – für ca. 700.000 Gefangene in ganz Brasilien.

Und das für Menschen in Gefängnissen mit unmenschlichen Bedingungen:

3-4 mal mehr Häftlinge als vorhandene Haftplätze, ungenügende bis keine medizinische Versorgung, Folterungen und Korruption sind an der Tagesordnung, Arbeitsmöglichkeiten im Gefängnis gibt es nur für 3-5% der Insassen. Mehr als die Hälfte der Insassen haben keine finanziellen Mittelnum sich überhaupt juristisch vertreten zu lassen. Staatliche Pflichtverteidiger gibt es so gut wie nicht. Bis zu 60 % der Inhaftierten sind ohne Urteilsspruch über Jahre in Untersuchungshaft.

 

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