Jubiläumsjahr P. Chevalier (5)

Am 15.3.2024 jährt sich zum 200.sten Mal der Geburtstag unseres Gründers P. Jules Chevalier, ein willkommener Anlass, noch einmal tiefer zu blicken, was uns unser Gründer heute noch zu sagen hat.

5. Gedanke:

Jes 11,1-2: Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.


Was Kriege und Diktaturen anrichten können, wusste P. Chevalier aus eigener Erfahrung im nachrevolutionären Frankreich, in dem die politische Führung ständig wechselte. Das Gemeinsame, das sie verband: Keine war besser als die andere, jede hatte ihr Feindbild, das es zu unterdrücken und zu beseitigen galt: Monarchisten die Revolutionäre, Revolutionäre die Monarchisten. Auf der Strecke blieb dabei – das Volk. Die ganz normalen Menschen, die nie Anteil an der Macht bekamen, aber immer ihr Opfer wurden. Das macht etwas mit den Menschen. Ohnmacht hat gravierende Folgen!

Diktaturen und Kriege und die darin erlebte Ohnmacht führen Menschen, Gesellschaften, Völker immer zurück an den Nullpunkt ihrer Entwicklung: zur Existenzangst und der Suche nach jemandem, dem man vertrauen kann, letztlich den zentralen Entwicklungsthemen des 1. Lebensjahres. Nur mit deutlich schlechterem Start, weil es nun ja schon die Erfahrung des Misslingens und der Enttäuschung gibt. Das Herz hat sich schon verschlossen, um sich zu schützen, da ist kein Leben mehr, das seinen Namen verdient. Der alte, vielleicht sogar blühende Baum ist abgehackt, Baumstümpfe bleiben übrig, soweit das Auge reicht. Bei den meisten bleibt es so. Entsprechend hart ist das „Leben“, entsprechend hart und lieblos der Umgang miteinander.

Nur aus wenigen wächst ein Reis, neues Leben. Bei Jesaja ist es nur bei einem der Fall, bei dem Baumstumpf des Isais. Aber da geschieht wirklich Zeitenwende. „Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.“ Der Geist des Herrn bringt all das mit, was nötig ist, um das alte Trauma zu heilen und neues Leid zu verhindern, all das, was kriegführende Diktatoren nicht haben. Deshalb ist es für das neue Leben auch nicht einfach zu bestehen, es muss prinzipiell immer mit der nächsten Axt rechnen. Und sein erneutes Wachstum braucht Zeit. „Verflucht bis in die dritte und vierte Generation“ – das ist der Fluch der Kriegsherren. Bei Gott ist es die Verheißung, dass dann einer aufsteht, der das alte üble Spiel nicht mehr mitspielt, der auf Verletzung nicht mir Rache reagiert, sondern mit Vergebung. Der sich ein Herz bewahren oder wiederfinden konnte. Das fängt mit Einzelnen an und kann im Laufe von drei bis vier Generationen auch das Kollektiv verändern, die Gesellschaft. Selbst nach zwei Weltkriegen. Gerade nach dem Schrecken von zwei Weltkriegen!

 

Basilika in Issoudun

Die Jesajastelle spricht vom Erlöser, als den das Christentum Jesus von Nazareth identifiziert hat, mit dem diese wundersame Wandlung beginnt. Aber auch in der Folge gab es immer wieder Menschen, die ihm darin nachfolgten. P. Chevalier war einer davon. Seine Geschichte hatte ihn hart gemacht, er galt in den Anfangsjahren im Seminar als rigide und eher unerträglich. Aber er ließ sich anrühren, verändern, er fand sein Herz und brachte es ins Spiel. Am liebsten weltweit und v.a. da, wo sonst keiner hinwollte, da wo es schwierig war, manchmal lebensgefährlich. (Das durchschnittliche Sterbealter der Missionare in Papu-Neuguinea, der ersten Mission der MSC Ende des 19. Jahrhunderts, lag bei 27 Jahren.) Kraft und Motivation dafür fand er in dem, der sein eigenes Herz geheilt hatte: in der Begegnung mit dem Herzen Jesu als dem Symbol dessen Liebe. An diese Liebe musste er nicht mehr glauben, weil er sie als Realität an sich selbst erfahren hatte. Das schafft Vertrauen. „An Ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Das galt und gilt für Jesus, dessen Liebe zu den Menschen ja nie aufhört und deren Leben begleitet. Das sollte auch für alle gelten, die ihm nachfolgen. Das gilt auch für die Diktatoren und Kriegstreiber (im Großen und im Kleinen). Ihre Taten zeigen, was ihnen fehlt: ein Herz.

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