Bibel hautnah – Exodus 20,1-3

Unter dieser Rubrik möchten wir uns mit Ihnen in unregelmäßigen Abständen Zeitthemen nähern und sie mit Stellen der Bibel verknüpfen – in mitunter unkonventioneller Deutung. Aber immer nah am Zeitgeschehen und damit auch an uns Menschen. Bibel hautnah eben.

Exodus 20,1-3
Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.

„Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ Das klingt nach absolutem Machtanspruch, auch nach absolutem Besitzanspruch Gottes. Gerade wenn er in Vers 5 noch ergänzt, dass er ein eifersüchtiger Gott ist. Entweder ihr pariert, oder es kracht. Diese Lesart hat das Verständnis des Textes lange bestimmt. So wurde aus den 10 Geboten für viele Menschen ein Beichtspiegel, anhand dessen man seine Sünden erkennen und bereuen konnte, um von ihnen befreit zu werden und der Verdammnis zu entgehen. Leider hält diese Lesart sich in manchen Gruppen in der Kirche auch heute noch, mit den entsprechenden Folgen für die Glaubensrealität und das Leben der Betroffenen.

Die logischere Lesart, dass der Gott, der sich in der Präambel als befreiender Gott bezeichnet, nicht nach der Befreiung plötzlich zum Despoten wird, sondern seine vorgeschlagenen Regeln der Bewahrung der Freiheit dienen, hat sich trotz überzeugender Evidenz noch nicht überall durchgesetzt. Dabei ist doch klar: Wenn keiner mordet, kann ich ohne Angst auf die Straße, wenn keiner stiehlt, brauche ich mein Haus nicht mehr schützen und verschließen, wenn ich ausgehe. Wenn ich den Sonntag als arbeitsfreien Tag einhalte, kann mir das helfen, kein abhängiger Worcoholic zu werden usw.. In jedem Fall vergrößert das meine Freiheit.

Warum also ist das so schwer zu fassen? Wie so oft, weil wir es anders kennen. Im Kleinen, dem familiären Bereich, ist die Machtverteilung eh über lange Jahre klar, nicht selten auch mit einem selbstverständlichen Besitzanspruch verbunden. „Du bist mein Kind“ bleibt da oft nicht eine normale Tatsachenbeschreibung, die eine Beziehungsrelation benennt, sondern betont, wer wem gehört. Mit allen Folgen an Macht und Besitz. Im Großen war das eh zu aller Zeit so. Ein Mächtiger Besitzender wurde bestenfalls durch einen anderen Mächtigen und Besitzenden ausgetauscht, der dann eben neu bestimmte, was zu tun und zu lassen ist. Das veränderte meist nicht viel, v.a. nicht, wessen Taschen gefüllt wurden. Das war vermutlich auch im alten Ägypten schon so: Die Fleischtöpfe, nach denen sich das Volk Israel in der Wüste zurücksehnte, enthielten mit Sicherheit weniger Fleisch als die der Ägypter – wenn überhaupt Fleisch drin war.

Das sind die Menschen und Völker gewohnt: Dass immer einer kommt, Besseres verspricht für alle – und am Ende das Bessere bei ihm und ein paar wenigen Ausgesuchten landet, ohne die dieser „Mundraub“ nicht möglich gewesen wäre. Götter eben, selbst wenn sie in mehr oder weniger freien Wahlen gewählt wurden. Deshalb: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! Damit Du nicht auf solche „Götter“ hereinfällst.

Besonders schräg wird es, wenn diese „Götter“ sich dann noch auf den Gott Jesu Christi berufen und sich als von Ihm auserwählt fühlen. Dass der Gott, der freimütig anderen gibt, Menschen in Leitung berufen soll, die freimütig zu ihrem Vorteil nehmen, ist doch ein unlösbares Paradox. Dass diese „Götter“ das selbst glauben, ist leicht nachzuvollziehen, das nennt man Größenfantasie. Dass viele Menschen das nicht durchschauen??? Das ist die Macht der Verführung, die uns an den frühkindlichen unerfüllten Bedürfnissen packt. Das ist die Illusion, wertvoll zu sein für jemanden, der nur seinen eigenen Wert im Sinn hat. Da würde ich doch das Original empfehlen: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.“ Egal, was Du in den Taschen hast. Hauptsache nicht von anderen gestohlen oder erpresst. Wofür wieder die Einhaltung der 10 Gebote gut wäre. Zum Wohl und zur Freiheit aller.

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