Bibel hautnah
Unter dieser Rubrik möchten wir uns mit Ihnen in unregelmäßigen Abständen Zeitthemen nähern und sie mit Stellen der Bibel verknüpfen – in mitunter unkonventioneller Deutung. Aber immer nah am Zeitgeschehen und damit auch an uns Menschen. Bibel hautnah eben.
Kohelet 3,1-8 : Zeitenwende
„Wir erleben eine Zeitenwende“, sagte Bundeskanzler Scholz in einer Sondersitzung des Bundestages zum Krieg in der Ukraine, „das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“
War sie das denn jemals? Geht das überhaupt? Ist doch die Welt in ständiger Bewegung und Entwicklung. Die Zeit gibt nur Sinn, wenn es Leben gibt, das sich für sie interessiert. Sonst führt sie – obwohl vorhanden – ein zeitloses Dasein. Und Leben ist nie so, wie es am Vortag war, in der Stunde, Minute, Sekunde vor dem Jetzt. Da kann man jede einzelne Zelle im Menschen fragen, sie wird das bestätigen.
Wie kann man dann eine Zeitenwende postulieren, nur weil einem ein Krieg nahekommt, so als hätte es nicht irgendwo in dieser Welt immer Krieg gegeben? Eine Zeitenwende, die nur für Mitteleuropa gilt, ist eh keine.
Es hilft vielleicht ein bisschen, die eigene Rolle darin zu überhöhen oder in der Not das Unfassbare zu kategorisieren. Das versuchte offenbar schon Kohelet:
„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: Es gibt eine Zeit für….“.
Kohelet wird gerne genommen, um das Leben zu ordnen und Gegensätze zu vereinigen. Besonders „in“ zurzeit: die work-life-balance. So als seien arbeiten und leben Gegensätze und nicht Arbeit ein Teil des Lebens, der im Übrigen auch Spaß machen kann.
Dummerweise ist Kohelet keine Anleitung zur Lebensbewältigung, sondern schlicht eine Erklärung, was es im Leben alles geben kann. „Es gibt eine Zeit zum Töten, es gibt eine Zeit zum Krieg, es gibt eine Zeit zum Steinewerfen..“ Das steht da auch – und eignet sich weder als Anleitung für´s Leben, noch als Rechtfertigung von begangenen Taten. Es zeigt aber, dass man nicht von einer Zeitenwende sprechen kann, nur weil es Krieg und Frieden in dieser Welt gibt. Nicht einmal dann, wenn wir nur noch das Gute verfolgen und nicht mehr „böse“ sind oder handeln. Wieviel Problematisches wurde schon im Namen des Guten in diese Welt gesetzt!
Hilfreich wäre nicht das Gute als Ziel, sondern die Güte als Mittel meines Handelns. Um mit Papst Franziskus zu sprechen: die Barmherzigkeit. So handelt Gott schon immer, daran hat uns Jesus vor 2000 Jahren noch einmal erinnert. Da gibt es keine Zeitenwende, sondern Kontinuität von Gott her.
Es könnte sein, dass wir es als Zeitenwende erleben würden, wenn sich alle danach richten, wenn alle gütig sein und handeln würden – um dann zu erkennen, dass wir uns nur in die verwandelt haben, als die Gott uns schon lange geplant hat: zu Menschen mit Herz. Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Auch das wäre keine Zeitenwende, sondern nur das Ergebnis der Kontinuität der Güte und Treue Gottes in dieser Welt.
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