Seligsprechung der Märtyrer von Quiché/Guatemala (Teil 2/3)

Darf ich Sie einladen zum zweiten Schritt auf unserem Weg zur Seligsprechung der Märtyrer von Quiché. Wie wird man zum Märtyrer? Was braucht es dazu neben einer schwierigen, gewaltvollen und menschenverachtenden politischen Situation, die es zu verändern gilt? Heute:

Teil 2: Die kirchliche Situation in Guatemala in der 2. Hälfte des 20. Jhdts.

Seit der Eroberung der Region des heutigen Guatemala durch die Spanier stand die offizielle Kirche dort über Jahrhunderte hinweg auf der Seite der Mächtigen, trotz aller Gewalt und Willkür der diversen diktatorischen Regierungen (Monarchien, Militärregierungen). Zwei sozial eingestellte demokratische Regierungen (von 1945-1954) wurden von ihr abgelehnt. Wegen deren Pläne einer Agrarreform incl. einer Enteignung brachliegenden Landes (z.B. der United Fruit Company, heute Chiquita Brands International) gegen eine Entschädigungszahlung und der Zulassung von Parteien, u.a. der Kommunistischen Partei, galten sie in den Augen der Kirche selbst als Kommunisten. Und das war per se des Teufels. Das ist das Problem von ideologischen Schlagwörtern: Sie schlagen wirklich alles kaputt, v.a. das differenzierte Denken. In und außerhalb der Kirche. Nach einem von den USA unterstützten Putsch 1954, bedankte sich die neue Militärregierung bei der kath. Kirche für ihre Unterstützung und belohnte sie mit dem offiziellen Recht auf Grundbesitz.

Erst durch die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils und der 2. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik (CELAM) von 1968 in Medellin mit der eindeutigen Festlegung auf die Option für die Armen änderte sich die Haltung der Kirche in Guatemala. Der bekanntester Vertreter dieser neuen Richtung im Land wurde – ein Märtyrer : Don Juan José Gerardi Conedera. 1967 zum Bischof geweiht, engagierte er sich stark in der Pastoral der Gemeinden der indigenen Bevölkerung. Wie schon vor seiner Bischofsernennung war er häufig mit Menschenrechtsfragen befasst und wurde in seinem Land zum führenden Akteur bei der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen. Ab 1974 war er Bischof in der Diözese Quiché ab 1980 auch Vorsitzender der Bischofskonferenz. Zwischen 1980 und 1983 kam es im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen der Armee und verschiedenen Widerstandsgruppen in El Quiché zunehmend zu Gewalteskalationen. Hunderte katholischer Katecheten sowie die meist aus dem Volk der Ixil stammenden Vorstände der christlichen Gemeinden wurden ermordet. Es genügte, eine Bibel oder einen Rosenkranz zu haben oder sich einfach nur für die anderen Mitmenschen hilfreich einzusetzen – wie das die Märtyrer von Quiché taten.

Gerardi appellierte wiederholt an die militärischen Befehlshaber, Exzesse und Misshandlungen zu unterbinden und ihre Soldaten zu disziplinieren. Nach der Teilnahme an der Bischofssynode 1980 in Rom wurde ihm die Wiedereinreise in sein Heimatland widerrechtlich verweigert. Erst 1982 konnte er in seine Heimat zurück, in der sich der Höhepunkt der Gewalt anbahnte:

Durch einen Militärputsch kam im März 1982 Efraín Ríos Montt an die Macht. Seine Amtszeit dauerte zwar nur 15 Monate, dennoch steht sie für die wohl brutalste Zeit des guatemaltekischen Bürgerkriegs (1960-1996). Einem UN-Bericht zufolge machten die Schergen von Rios Montt 448 Dörfer dem Erdboden gleich, was ihm den Namen „Schlächter der Indios“ einbrachte. Er begründete den Genozid damit, dass die Indigenen die Basis der Guerilleros seien. Der Mord an Säuglingen und schwangeren Frauen war (laut Gericht) darauf angelegt gewesen, die Ixil zu zerstören und die sexuelle Gewalt als Mittel zur Zerstörung des sozialen Zusammenhalts einzusetzen.

Unterstützt wurde er dabei von evangelikalen und pfingstlerischen Kirchen aus den USA (Montt war selbst Mitglied einer Pfingstkirche und predigte sonntags im Fernsehen), deren „Mission“ darauf ausgerichtet war, die katholische, sozial ausgerichtete Basisbewegung auszuschalten und die traditionelle Maya-Religion der Bevölkerung auszurotten, die sie als heidnisch betrachteten

2013 wurde Ríos Montt wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu insgesamt 80 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, das Urteil aber bald darauf wegen Verfahrensfehlern aufgehoben.

Nach Ende des Bürgerkriegs 1996 wurde Bischof Gerardi Leiter der „Wahrheitskommission“ zur Aufdeckung der Verbrechen während der Jahrzehnte dauernden Militärdiktatur: Zwei Tage vor seiner Hinrichtung in einer Garage (sein Gesicht wurde mit einer Betonplatte bis zur Unkenntlichkeit entstellt) hatte der Bischof die ersten Ergebnisse der groß angelegten Studie öffentlich vorgestellt: 54.000 schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden zusammengestellt. „80 % aller Menschen­rechts­ver­letz­ungen haben Militärs und Paramilitärs begangen, nur 9 % die so genannten „Guerilla“. Dies stieß auf heftigen Widerstand der Militärs, der Bischof wurde als Kommunist diskreditiert, obwohl eine Kommission der UNO zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam. Gerardis Tod löste in Guatemala Entsetzen aus, umfassend aufgeklärt wurde der Tod nie. Verurteilt wurden drei Militärangehörige sowie ein katholische Priester, mit dem der Bischof im gleichen Haus wohnte.  George Clooneys Film über Bischof Gerardi, „The Art of political murder“, vorgestellt 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes 2019, erklärt, worum es ging. Um einen politischen Mord!

Was lehrt uns das Beispiel Bischof Gerardis?

Wer Märtyrer werden will, hat eine falsche Motivation. Wer die Botschaft Jesu ernst nimmt, gerade in einer maximal bedrohlichen Situation, hat fast keine andere Wahl. Diese Botschaft, die genau dahin führt, ist eine zutiefst menschliche: An der Seite der Bedrohten stehen und bei der Wahrheit bleiben, die uns frei macht. Unter Umständen auch zum Martyrium. Das ist nicht für Christen reserviert, die Seligsprechung schon. Sie hilft, uns zu erinnern, an Menschen, die das vermochten, auch an all die anderen, die ihr Leben hingaben. Weil sie einfach menschliche Menschen waren. Solidarisch in der Not. Und treu.

 

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